Erinnerungen an´s Hotel Maxsie und seinen Besitzer

von Horst Hentschel:

“Weit reichen die Bilder zurück, wenn ich ans Fischbachtal, insbesondere an das Maxsie-Kurhotel denke. 12 war ich damals, und das ist nun schon 51 Jahre her. Ein halbes Jahrhundert somit, – kein Wunder, dass einem da mulmig zumute wird, wenn die Gedanken mal wieder um diese junge und abenteuerliche Zeit kreisen.

Mein Vater pflegte uns zweimal im Jahr in den Odenwald zu verfrachten, wir hatten keine Wahl eines Einspruchs. Wir kamen aus der Koblenzer Ecke, hatten somit nicht allzu weit zu fahren, was von Vorteil war. Wie mein Vater an Max Siebert und sein Hotel geraten war, lässt sich heute nicht mehr eruieren, ich vermute, da hat der Zufall zugeschlagen. Und als Gewohnheitsmensch par excellence galt für meinen Vater: Einmal dort – wohlgefühlt – immer dort.

Als ich Max Siebert das erste Mal begegnete, war ich schwer beeindruckt. Von seinem Ring vor allem. Mordsmäßig Gold mit einem roten Stein in der Mitte, ich sehe ihn noch genau vor mir. Ebenso wie das gütige Lächeln eines Menschen, den die Jahre und Jahrzehnte weise gemacht hatten. Vielleicht auch weise genug, um noch einmal von vorn anzufangen – mit einem Abenteuer namens Hotel in einer für ihn völlig fremden Welt. Abgesehen davon: Dieses Wagnis ausgerechnet in der ungewohnten Provinz einzugehen … das hatte was! Max Siebert war in Norddeutschland (ich meine mich an Lübeck erinnern zu können) Juwelier gewesen, ehe er den Sprung in das eher kleinbürgerliche, gar nicht hanseatische Lichtenberg im Odenwald unternahm. Sich dort als Hotelier niederzulassen, wird zuvor sicher einige Kopfzerbrechen bereitet haben.

Sogar ich fühlte mich dort so richtig wohl, – was etwas heißen wollte, war ich doch allgemein eher auf immer etwas Neues ausgerichtet, das mein Interesse wecken konnte. Und mit der Zeit wuchs dieses Hotel in mir zu einer Art zweiten Heimat, wie das oft so ist, wenn erstmals alles Verkrampfte, Bedächtige, Vorsichtige von einem abfällt und einer wohligen Ungezwungenheit weicht, die einen angenehmen Urlaub erst so richtig möglich macht.

Und die Sternstunde, Meine Sternstunde – die kam ja so ziemlich zu Beginn: die eigentliche Prägung, von der allerdings zu diesem Zeitpunkt niemand wusste, welche Ausmaße sie für mein späteres Leben haben sollte. Denn in diesem Hotel widerfuhr mir eines Tages – es war ein Sonntagnachmittag – etwas ganz Unerhörtes: Zum ersten Mal erlebte ich eine Gitarre, eine elektrische auch noch, und wenn ich sage “erleben”, dann ist dies sicherlich noch untertrieben. Denn dieses Erlebnis wühlte mich auf, krempelte mich um, war mir mit einem Mal ein Interessengebiet vor die Füße, einfach so – wie maßgeschneidert für einen wie mich, der zu dieser Zeit auf Peter Kraus “stand” … und nun wie aus dem Nichts heraus die gleiche Gitarre vorgeführt bekam, mit der mein Rock´n´Roll-Idol so oft abgebildet war: Eine Framus “Billy Lorento” in hellem Holz. Dass Peter Kraus zu dieser Zeit noch gar nicht Gitarre spielen konnte, wusste ich da noch nicht. Auch war dessen Gitarre schwarz. Aber es war das gleiche Modell.

Zwei Mann stark war die Combo, welches Instrument der zweite Mann spielte,  ist mir entfallen, ich ihn irgendwie verdrängt haben. Zu sehr war ich auf das fixiert, was dieser junge Gitarrist da veranstaltete … mit seiner Gitarre und einem Tonbandgerät. Zumal die Gitarre 4 Drehknöpfe auf der Chromfarben Reglerplatte hatte – was mich natürlich besonders interessierte. Ich fragte meinen Vater, was es mit diesen Knöpfen wohl auf sich haben konnte, aber er zuckte nur die Schultern. Ob er ihn nicht mal in der Pause fragen könne, flüsterte ich. Ich selbst traute mich nicht. Und in der nächsten Pause dann nahm mich mein Vater an der Hand, baute sich vor dem verblüfften Gitarristen auf und berlinerte gut gelaunt: “Junga Mann, meen Sohn da kiekt imma uff diese Knöppe da, könnse ihm nicht mal erklärn, für wat die eijentlich jut sind?” Die Knöpfe wurden uns erklärt, ganz ausgiebig sogar, und mir schien, als bereitete dies dem Gitarristen richtig Freude.

An Schlaf war in der kommenden Nacht nicht zu denken.

In der folgenden auch nicht – dann da lag in meinem Zimmer mit einem Mal eine … Gitarre, eine einfache akustische Schlaggitarre, auch eine Framus, und ich stand davor und konnte es nicht fassen. Herr Siebert, so erfuhr ich später, hatte meine Begeisterung mitbekommen und es irgendwie geschafft, eine Gitarre zu organisieren – leihweise, versteht sich, aber zu meinem Vater sagte er dann wohl, er solle sich doch bitte um mein neues Interessengebiet kümmern, er habe das bestimmte Gefühl, dass er mir damit einen ganz besonderen Weg weisen könnte!

Natürlich wollte ich eine eigene Gitarre, eine elektrische, es musste ja nicht unbedingt so ein teures Modell sein. Mein Wunsch wurde abgelehnt – zu schlecht stand ich in der Schule, mein Vater befürchtete, ich könnte den Boden unter den Füßen verlieren! Doch Beharrlichkeit führt zuweilen zum Erfolg – ein Jahr später hatte ich meine Gitarre, spielte kurz danach in einer Band, entwickelte mich Schritt für Schritt zum Solisten, machte daraus zwischenzeitlich sogar einen Beruf, gab Konzerte, nahm Platten auf … und heute, dieses halbe Jahrhundert später, hat sich der Kreis geschlossen – denn noch immer spiele ich Gitarre und denke zuweilen daran, wie das alles begann, damals im Maxsie-Kurhotel in Lichtenberg.

Ach ja – den Gitarristen, die Initialzündung für so vieles, was mit der Gitarre zusammenhing, den versuchte ich vor etwa 8 Jahren über das Internet ausfindig zu machen. Der Versuch schlug fehlt. Zu gern hätte ich ihn besucht, ihm meinen Dank ausgesprochen. Was wohl aus ihm geworden ist?”

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