„Die Gäulschenmacher von Niedernhausen.“

Früher als das Spielzeug noch nicht so reichlich vorhanden war und der Niedergang alter Erwerbszweige, wie zB. das Weben (welches in Niedernhausen auch ausgeübt wurde – man denke in diesem Zusammenhang an die Schnurrgasse in Niedernhausen oder auch an den Hausnamen “`s Wewwersch” was auf die 4 Generationen Buß in diesem Haus zurückzuführen ist welche allesamt hier das Leinweberhandwerk ausübten oder auch der hiermit zusammenhängende Flachsanbau (noch heute erinnern Namen wie Hechler oder Standortbezeichnungen wie Flachskaute an diese alten Tätigkeiten). Gleichzeitig stieg die Bevölkerungszahl kontinuierlich an und die Menschen benötigten allesamt ihr Auskommen. Industrie, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht in unserer Region so versuchte man sich in kleinen Handwerken um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Wie das Gäulchesmacherhandwerk (wenn man es so nennen will) nach Niedernhausen gelangt ist kann an dieser Stelle nicht erklärt werden, eventuell hat irgendein Geselle dieses Handwerk aus dem Nürnberger Raum hierher gebracht – Spekulation. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch begann man wohl in Niedernhausen in verschiedenen “Familienbetrieben” damit Spielwaren aus Holz herzustellen. Zumeist waren dies Gäulchen in allen Größen, Gäulchen mit angehängten Wagen, Schaukelpferde usw. Einen Meister brauchte es bei diesem Handwerk nicht – es handelte sich zunächst wohl um familiäre Einheiten bei der jede Hand unterstützte um zum Lebensunterhalt der Familie bei- zutragen. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert gab es bis zu 20 Handwerksbetriebe in Niedernhausen welche sich mit diesem Handwerk beschäftigten.

Ein typisches Gäulchen wurde damals aus Erlenholz erschaffen – die angehängten Wagen waren aus Espenholz. In den, sehr oft nur kleinen, Werkstätten wurde dann der Rumpf gedreht, mit der Schnitzbank gearbeitet und später geleimt und bemalt. Der Schwanz der Pferde bestand aus Hanf.

Einige der damaligen Handwerker in Niedernhausen sind namentlich bekannt: “Philipp Becker, Georg Becker, Adam Becker, Philipp Hechler, Georg Marquard, Friedrich Walter Michael Hörr, Georg Beilstein, Georg Meisenbach, Philipp Späth, Franz Diehl, Fritz Schwebel, Adam Beilstein, Fritz Späth” u.a. (wie sich Ludwig Hechler erinnerte). Der bekannte Odenwald- Forscher, Sanitätsrat Maurer, hat unter seinen heute noch bekannten Bildern auch das Handwerk der Gäulchesmacher in Niedernhausen festgehalten.

Um 1850 gab es im Kreis Dieburg 10 Betriebe in diesem Gewerbe, rund 30 Jahre später waren es nur vier mehr aber um 1900 blühte das Handwerk und es gab immerhin 25 Betriebe im Kreis – wovon die meisten in Niedernhausen zu finden waren. Doch schon um 1914 ging die Zahl wieder nach unten und es fanden sich noch 20 Betriebe.

Manche der genannten erweiterten ihre Produktion und es entstand zum Beispiel die Firma Becker welche auch auf der Spielwarenmesse in Nürnberg ausstellen konnte. Bei der Firma von Georg August Becker kam auch der erste Dieselmotor zum Einsatz. Wie so vieles jedoch konnte sich auch dieses Handwerk nicht erhalten. Die meisten machten dies nur ein bis zwei Generationen und dann war Schluss. In Niedernhausen stellten sich schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die beiden Brüder Georg und Karl Meisenbach auf die Produktion von Federhaltern um und gaben so einer ganzen Reihe von Federhalterdrehern Lohn und Arbeit. (Die Firma Karl Meisenbach ist heute noch der größte Arbeitgeber in Niedernhausen).

Schon Ende der dreißiger Jahre gab es in Niedernhausen nur noch 3 “Betriebe” die dieses Handwerk ausübten – die letzten gaben ihr Handwerk wohl in den fünfziger Jahren auf und diese Tradition erlosch.

Im Schloss Lichtenberg ist eine umfangreiche Sammlung zu den Gäulchesmachern von Niedernhausen zu sehen. Der letzte Betrieb der heute im Odenwald derartiges (wenn auch maschinell) herstellt ist die Firma Krämer in Beerfurth. Auch die Vorfahren dieser Familie erlernte dereinst ihr Handwerk in Niedernhausen.

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