„Der Haiser Latz.“

Räuber – das klingt verwegen, geheimnisvoll und gefährlich. Schon in frühester Kindheit begegnete uns dieses Wort, am bekanntesten wohl in der Geschichte um den “Räuber Hotzenblotz”.

Schon in frühester Zeit sind für unsere Umgebung Räuber belegt – besser gesagt Raubritter. Es waren die sogenannten Kalbe, auch bekannt als Kalb von Reinheim. Die Kalbe hatten ihre Burg auf dem Schlossberg bei Nieder-Modau und unternahmen von hier aus ihre “Beutezüge” doch sie haben sich dann einmal mit den verkehrten angelegt und ihre Burganlage wurde geschleift und heute erinnern nur mehr wenige Überreste an diese einstige Anlage. Die Kalb starben im 16. Jahrhundert im Mannesstamm aus. Neben den Raubrittern gab es viele Tagdiebe, Wegelagerer, Herumtreiber usw. die sich mit größeren und kleineren Kriminalität über Wasser hielten – das ist bis in die Gegenwart so geblieben, leider.

Einige der früheren “Räuber” sind uns bis heute überliefert, manchmal in für uns kaum noch zu erkennende Weise. Wer denkt heute noch an Peter Stibitz wenn er vom Stibitzen spricht oder wer kennt die tatsächliche Person hinter dem Kartenspiel “Schwarzer Peter” – kaum einer kann noch benennen das dies auf den Peter Petri (den sogenannten “Schwarz Peter”) zurück geführt wird. Peter Stibitz und auch Peter Petri, also der “Schwarze Peter” war als “Räuber” bekannt und berüchtigt. Des Öfteren hatten die beiden Herren Gemeinschaft mit einem noch bekannteren Vertreter ihres Fachs, dem Schinder Hannes.

Der Schinder Hannes, der so hieß weil sein Vater ein Abdecker gewesen ist –also ein “Schinder”, hieß mit wirklichem Namen Johannes Bückler. Er verübte zahlreiche Straftaten über eine große Region hinweg mit unterschiedlichsten Kumpanen. Der Schinder Hannes war auch im Odenwald unterwegs, wobei er hier jedoch weniger Raubzüge unternahm als das er sich hierher in unruhigen Zeiten in seinem Stammgebiet über den Rhein zurück zog um der Verhaftung zu entgehen und auch um gestohlene Waren an den Mann zu bringen. Es ist in diesem Zusammenhang überliefert das er sich des Öfteren beim sogenannten “Maus von Semd” und auch bei einem gewissen “Johann Henrich” und dem “dortigen Müller” aufhielt.

Auch in Habitzheim bei einem genannten “Henrich Rapp” hat er solche Waren verkauft. Ob der Schinder Hannes auch auf dem Gebiet des heutigen Fischbachtals gewesen ist kann hier nicht belegt werden. Wohl aber sitzen heute hier noch Nachfahren eines seiner Kumpane. Es handelt sich um die Familie Gehrhardt die auf einen Sohn des Jacob Gerhard von Weiden zurückgehen. Die Familie jenes Jacob betrieb bei Weiden im Fischbachtal (eine wahrlich seltsame Namensgleichheit) eine Mühle auf welcher Johannes Bückler des Öfteren weilte. Jacob war um 1800 öfters mit Bückler zusammen und verübte mit ihm unter anderem den sogenannten “Hottenbacher Raub”. Hiernach wurde er ins Gefängnis nach Birkenfeld verbracht von wo er aber entkam. Wir wissen er war später kurze Zeit bei einem Müller in Umstadt und hatte später im Odenwald einen Nachfahren auf den auch der Sitebetreiber als Ahnen zurückblickt. Auch einer mit Namen Johann Martin Rinkert von Schlossborn war unter anderem im Odenwald aktiv. In Michelstadt bestahl er zusammen mit dem “Scheelen Franz” und Johann Adam dem “Korbmacher von Ueberrhein” und Wilhelm Reinhard einen Juden. Der sogenannte “Scheele Franz”, der einen Augenfehler hatte, Wilhelm Reinhard (der eigentlich Gundermann hieß) und ein junger Mensch mit Namen Hans wurden in Lindenfels arretiert. Johann Adam, auch Hannadam genannt, konnte entkommen. Er wird zusammen mit Georg Dascher weiter unten noch einmal erwähnt.

Im Fischbachtal ist heute wohl der bekannteste Räuber der sogenannte “Haiser Latz”. Viel wissen wir leider nicht über ihn. Wenn man der allgemeinen Literatur folgt handelte es sich wohl um einen ehemaligen Soldaten welcher mit seinen Kumpanen sein Unwesen trieb. Ihren Unterschlupf hatten die Räuber in einer Höhle am “Spitzen Stein”, dem sogenannten “Latze Keller”. Im Allgemeinen werden folgende Bandenmitglieder benannt: Latz, Dascher, Erbeldinger, Handschuh, Fabian, Grassmann und Matzbull. Über jenen “Latz” ist leider nichts weiter in der einschlägigen Literatur zu finden. Auch ein Vorname ist uns nicht genannt.

Dr. Georg Spalt schrieb in seinem Büchlein “Die Gemeinde Fischbachtal und ihre Ortsteile” aus dem Jahre 1972 unter anderem folgendes:

“Im Wald zwischen Billings und Nonrod, in der Nähe des “spitzen Steins” hatte sich eine Bande eine Höhle als Unterkunft ausgebaut und sich häuslich eingerichtet. Selbst der Ofen fehlte nicht. Von hier aus unternahmen die Räuber ihre Streifzüge in die nähere Umgebung. Am 27.4.1802 wurden Pfarrhaus und Kirche in Neunkirchen geplündert. Dabei wurden der Pfarrer, seine Frau und deren beiden Schwestern schwer misshandelt. Die Räuber hatten die Kirchentür besetzt und die Glockenstränge abgeschnitten, damit nicht “Sturm” geläutet werden konnte. Allen Leuten, die zu Hilfe kommen wollten, wurde mit Totschlag gedroht. Nachdem die Banditen ihre Beute (Geld, Schmuck, den goldenen Kelch der Kirche und andere Wertgegenstände) in Sicherheit hatten, zogen sie wieder ab. Als sie eines Tages die Bewohner des Schlosses Lichtenberg (Beamte des damaligen Landgerichts) heimsuchten, und dort die Wäsche stahlen, ging man ihnen zu Leibe. Auf Ersuchen des Gerichts wurde aus Darmstadt ein Trupp Soldaten in das Fischbachtal beordert, der das Diebesnest ausfindig machte und ausräucherte. Die Mitglieder der Bande, denen man Morde nachweisen konnte wurden in Darmstadt enthauptet, die übrigen erhielten lange Haftstrafen. – Die Höhle wird heute noch im Volksmund nach dem Bandenführer “Latz” der “Latze Keller” genannt. Später ist sie beseitigt und zugeschüttet worden. „Soweit der Bericht des Dr. Georg Spalt.

Vom Überfall auf die Kirche in Neunkirchen berichtet auch der ehemalige Lehrer von Neunkirchen, Johannes Feick, in seiner Festansprache zur Einweihung des Kaiserturmes im Jahre 1907. Allerdings fällt hier nicht der Name “Latz”, man schreibt diesen Überfall der Räuberbande um die Götz und Dascher aus Steinau zu. Diese überfielen hiernach am 27. April 1802 mit annähernd 30 Mann um 11 Uhr den damaligen Pfarrer Lindenborn zu Neunkirchen. Auch hier ist die Rede von Misshandlungen und auch die gekappten Glockenseile werden erwähnt. Des Weiteren wurde jedem Bewohner in dessen Haus ein Licht zu sehen war gesagt er solle diese sofort aus- machen. Die ganze Bande marschierte angeblich unter militärischem Kommando in das kleine Dorf und einige saßen angeblich unter den Linden am Marktplatz. Irgendwer berichtete von Trommeln die er gehört haben will. Nachdem die Räuber alles an sich genommen hatten zogen sie unter Trommelwirbel und schrecklichem Krach von dannen. Beide Erzählungen beziehen sich auf die gleichen Ereignisse und es scheint uns wohl als seien beide Räuberbanden absolut identisch. Es waren wohl umherziehende Soldaten und ihre Helfershelfer die hier am Werk waren. Während also hier nicht von einem “Latz” die Rede war nimmt man aber Bezug auf einen Dascher aus Steinau. Jener Georg Dascher wurde am 5. November 1765 in Steinau geboren, er war der Sohn des Leinenwebers Johann Philipp Dascher. Sein Leben endete am 25. Juni 1813 in Darmstadt mit dem Schwert gerichtet zusammen mit fünf anderen Räubern. (Auch dies wurde im Bericht von Dr. Georg Spalt erwähnt).Man legte den Verurteilten folgende Straftaten zu Lasten:- Straßenräuberei bei Schannenbach (Beteiligte: Grassmann, Georg Dascher, Jakob Erbeldinger und Johann Adam Heussner)- Straßenräuberei bei Schiersheim (Beteiligte: Johann Adam Grassmann, Stephan Heussner, der “dicke Bub”, Georg Dascher und Jakob Erbeldinger)- Diebstahl auf einem Hof bei Wünschmichelbach (Beteiligte: Johann Adam Grassmann, Georg und sein Bruder Lorenz Dascher und der “dicke Bub”)

Diebstahl auf einem Bauernhof bei Billings (Beteiligte: Johann Adam Grassmann, Georg Dascher und sein Bruder Lorenz, der “dicke Bub” und Jakob Erbeldinger.- Straßenräuberei zwischen Neunkirchen und Laudenau (Beteiligte: Adam Heussner, Georg Dascher, Jakob Erbeldinger sowie der “Hannadam”.Georg Dascher nannte man auch “Stoaner” – wie eigentlich auch heute noch die Einheimischen Steinauer genannt werden. In keiner der uns vorliegenden Quellen ist über den, im Fischbachtal, berühmten Räuber “Latz” näheres berichtet oder wird er mit einer bestimmten Person in Verbindung gebracht. War der Name “Latz” nur ein umgangssprachlich verwandtes Wort für einen anderen der zuvor genannten Räuber, wie zum Beispiel Johann Grassmann, der wohl einer der Köpfe der erwähnten Räuber war? Im südhessischen Sprachgebiet stehen die Begriffe “latzen” und “latze” für “sich an etwas gütlich tun” oder auch “stehlen”. Im Hinblick dessen wäre der “Haiser Latz” also der “Dieb von Hause (Niedernhausen)”. Im Übrigen werden die Einheimischen Einwohner von Niedernhausen auch heute noch gerne von den Odenwälder Bewohnern der Nachbardörfer als “Haiser Latze” bezeichnet. Vielleicht gibt es hierzu weitere Quellen – Sie sind gerne aufgerufen diese Geschichte zu ergänzen und zu berichtigen.

Die Köpfe im Titel sind Mane Friedrich, Hölzerlips, Kramer Mathes und Veit Kramer.

Menü

Wir verwenden Cookies, wenn Du dieses Angebot nutzt zeigst Du dich hiermit einverstanden!