„Aus der Historie der Kirche und Kirchengemeinde im Fischbachtal…“

In früherer Zeit gehörte das Gebiet der heutigen Gemeinde Fischbachtal zum Kirchspiel von (Gross-)Bieberau. Dieses umfasste die folgenden Fillialorte: Billings, Lichtenberg, Messbach, (Niedern-)Hausen, Nonrod, Rodau (damals noch mit der Hottenbach), Steinau und drei Laudenauer Höfen (diese pfarrten erst ab 1838 nach Neunkirchen).

Das Kirchspiel von Bieberau gehörte (wie zum Beispiel auch jene von Reinheim und Neunkirchen) zum Archidiakonat St. Peter und Alexander mit Sitz in Aschaffenburg. Jenes wiederum war zum Landkapitel Montat in (Gross-)Umstadt gehörig. Verschiedene Landkapitel bildeten die Kirchenprovinz Mainz ab die zwischen 780 und 782 gegründet worden ist.

Die Bewohner des Fischbachtales (geologisch gesehen also das “Untere Fischbachtal” mit dem heutigen Groß-Bieberau und das “Oberer Fischbachtal” mit den Orten der heutigen Gemeinde Fischbachtal) hatten also den Mittelpunkt ihres Kirchlichen Lebens in der Michaelskirche in Bieberau – was so blieb bis in das 19. Jahrhundert hinein.

Die Michaelskirche in (Groß-)Bieberau ist sehr alt. Die Namensgebung mit Patronen war vor allen Dingen in der merowingisch-fränkische Zeitspanne (482 bis 687 nach Christus) bevorzugt worden. Da die bekannte Ersterwähnung von (Groß-)- Bieberau bereits im Jahr 787 nach Christus vorliegt könnte die dortige Kirche, genauer gesagt der dortige Kirchplatz, durchaus schon an die 1500 Jahre Bestand haben. Die erste Kirche an jener Stelle, wahrscheinlich noch in Holzbauweise erstellt, wurde so wie es aussieht in der romanischen Bauphase abgebrochen und ein neuer Bau errichtet. Hieraufhin deuten auch alte Berichte in denen von einer romanischen Grundsubstanz berichtet wird.

Jene romanische Frühform der Kirche war wohl eine sogenannte “Wehrkirche”, wie wir sie heute noch in Fränkisch-Crumbach vorfinden. Dies ist auch heute noch zu erkennen wenn wir uns die Reste einer ehemaligen Schießscharte in der Turmkammer ansehen. Bis in das Jahr 1829 war die Kirche zudem von einer hohen Mauer umgeben, die auch den Bereich des heutigen Marktplatzes von (Groß-)Bieberau mit einschließt.

Generell war die Kirche in ihrer langen Lebensspanne des Öfteren einem baulichen Wechsel unterzogen der hier nicht ins Detail gehend Erwähnung finden kann. Nimmt man den Kirchturm als Beispiel dieses Wandels so kann man hier allein auf mindestens drei Dachformen Schließen. Zunächst hatte er wohl ein romanisches Zeltdach, hiernach folgte das steile Dach einer gotischen Kirche – wie auch in Niedernhausen zu finden und zuletzt seit 1726 die bis heute existente Hauben Form.

Die häufig aufgeworfene Frage inwieweit es in (Groß-)Bieberau auch eine Klosteranlage gegeben haben mag ist wohl bisher noch nicht eindeutig geklärt worden.

Neben der Kirche in (Groß-)Bieberau werden in früherer Zeit noch weitere zugehörige Kapellen genannt. Hierbei handelt es sich zum einen um eine Kapelle im Gemeindewald auf dem Weg nach Fränkisch-Crumbach, zum anderen um die Jostkapelle im Wald bei (Niedern-)Hausen und eine Kapelle im sogenannten “heiligen Winkel” von welcher aber keine weiteren Daten vorliegen. Später hat es noch eine Kapelle in Billings gegeben. Des Weiteren wird ein Gotteshäuschen erwähnt welches sich wohl auf dem Gebiet der späteren Brauerei Schönberger befunden haben mag. Hinzu kommt noch seit mindestens 1420 eine Kapelle in Lichtenberg – also der Vorläufer der späteren Schlosskapelle. Diese war dem heiligen Peter geweiht und der zugehörige Kaplan wohnte in einem Haus in (Niedern-)Hausen welches aber wohl anno 1541 verkauft wurde. Für das Jahr 1420 ist ein Kaplan mit Namen Heinrich für Lichtenberg überliefert. Diese Kapelle diente wohl aber nur der Herrschaft von Lichtenberg und deren Hofstaat und stand nicht den weiteren Untertanen zur Verfügung.

Während also die Bevölkerung des unteren Fischbachtal (sprich (Groß-)Bieberau) einen nahen Weg in ihre Mutterkirche hatte sah dies für die Bewohner des oberen Fischbachtals (also das Gebiet der heutigen Gemeinde Fischbachtal) natürlich anders aus. So dürfte es wohl die Regel gewesen sein in die nahe liegenden Kapellen zu ziehen. Hier fanden jedoch die wichtigen kirchlichen Ereignisse nicht statt. D.h. zu Taufen, Eheschließungen und Bestattungen aber auch zum Abendmahl musste man sich auf den Weg zur Mutterkirche nach (Groß-)Bieberau begeben. Auch der Friedhof war in (Groß-)Bieberau zu finden, er lag bis 1797 noch direkt an der Michaelskirche und wurde danach an seine heutige Stelle vor den damaligen Ortseingang von (Groß-)Bieberau verlagert. Eine Ausnahme von diesen Regeln fand jedoch in Not- und Kriegszeiten statt wenn der Weg zur Michaelskirche zu gefährlich gewesen wäre – so wurden zur Zeit der Pest viele Tote rund um das Bollwerk in Lichtenberg begraben.

 

Für die Zeit nach der Reformation ist uns in (Groß-)Bieberau im Jahre 1520 mit Johannes Petermann oder einem gewissen Pfarrer Fridericus der erste evangelische Pfarrer erwähnt.

Im Jahre 1712 richtete Landgraf Ludwig V. von Hessen im Schloss Lichtenberg eine größere Kapelle in einer anderen Räumlichkeit ein die von nun an auch den weiteren Bewohnern des oberen Fischbachtals zur Nutzung frei gestanden hat. Dies blieb so bis zur Erbauung der heutigen Kirche in Niedernhausen.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bemühte man sich in Lichtenberg zusehends um eine eigene Pfarrstelle und die Gründung eines eigenen Kirchspieles. Schließlich zum 1.1. 1877 wurde das Kirchspiel von Groß-Bieberau geteilt. Jedoch kam es anders als man sich das wohl in Lichtenberg vorgestellt hatte. Bei (Groß-)Bieberau verblieben nur noch Rodau und die Hottenbach. Die Orte (Nieder-)Hausen, Lichtenberg, Billings, Steinau, Messbach und Nonrod wurden im neuen Kirchspiel von (Niedern-)Hausen zusammengefasst. Zunächst gab es hier ja noch keine eigene Kirche weshalb noch 14 Jahre lang die Schlosskapelle in Lichtenberg weitergenutzt wurde.

Um seinen Pfarrer angemessen unterzubringen wurde in (Niedern-)Hausen zwischen 1879 und 1880 dort ein neues Pfarr- und Gemeindehaus errichtet (welches heute noch genutzt wird). Als erster Pfarrer konnte Georg Noack hier Einzug halten, er war überhaupt der erste Pfarrer des neuen Kirchspieles in (Niedern-)hausen. Mit Beschluss vom 28. Februar 1889 traf der Kirchenvorstand schließlich den Entschluss eine eigene Kirche in (Niedern-)Hausen zu errichten. Es dauerte nicht lange und schon am 13. Mai 1890 war Grundsteinlegung der Kirche. Am 31. Mai des gleichen Jahres begannen die Bauarbeiten und schon am 26. November 1891 konnte Einweihung gefeiert werden.

Zur Einweihung zog die Kirchengemeinde zunächst von einem Abschiedsgottesdienst aus der Lichtenberger Schlosskapelle zur neuen Kirche wo die Einweihung am Anschluss erfolgte.

Man hatte drei Glocken für die neue Kirche geordert. Alle drei wurden am 13. Juni 1891 von Andreas Hamm in Frankenthal gegossen, ihre Weihung erfolgte am 5. Juli 1891. Diese Glocken hatten folgende Inschriften:

Dem Christenvolk zu harren

Allen Schaden zu wehren

Gott zu Ehren

Den 1. Weltkrieg überstanden die Glocken noch unbeschadet doch am 18. März 1942 kam für die beiden großen Glocken der Abschied – sie wurden für Kriegswichtiges Material eingeschmolzen und kehrten nie wieder zurück. Die kleine Glocke jedoch überstand glücklicherweise beide Kriege und ist auch heute noch im Turm. Es dauerte auf den Tag genau 9 Jahre, bis zum 18. März 1951, bis zwei neue Glocken feierlich eingeholt werden konnten. Diese wurden von Hermann Hamm, einem Enkel von Andreas Hamm gegossen. Die neuen großen Glocken trugen folgende Inschriften:

Den Toten des Zweiten Weltkrieges 1939/45 Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben.

Mitten in diese Zeit rufe ich laut: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden

Die Orgel in der Kirche stammt von der Firma Bechstein und konnte anno 2004 ihr 100jähriges Bestehen feiern. Da man glücklicherweise bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts einen Turmuhrmacher im Ort hatte konnte die 

Turmuhr in Niedernhausen gefertigt werden. Sie stammt von Georg Philipp Schuchmann (1844 bis 1920) gefertigt. Dieser war der Urgroßvater des ersten Bürgermeisters der Gemeinde Fischbachtal, Georg Röder (1922-1992)

Am 21. Juni 1991 gab es noch einmal Nachwuchs für das Glockenspiel. Am 21. Juni 1991 wurde in der Glockengießerei Rimcker in Sinn bei Herborn eine vierte Glocke gegossen, diese trägt folgenden Leitspruch: Gewidmet den Kindern und Frauen der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Niedernhausen – zur 100-Jahr-Feier der Pfarrkirche anno Domini 1991. Sowie den Bibelspruch: Meine Seele erhebt den Herrn. Die Glockenweihe fand am 6. Oktober 1991 statt.

Bei der letzten großen Renovierung wurde schließlich das 1959 ausgetauschte Ursprüngliche Fenster hinter dem Altar wieder eingesetzt und im Jahr 2004 das Pfarrhaus und die Außenanlage einer kompletten Renovierung unterzogen so dass die Kirche in Niedernhausen heute wieder in neuem Glanz erstrahlt.

Das Ensemble mit Kirche, Kirchengarten, Kirchenpark, Pfarrhaus mit zugehöriger Remise und neu hinzugekommenen Gemeindehaus noch teilweise umgeben von der alten Steinmauer ist heute eine echte Rarität in unserer näheren Umgebung und immer einen Besuch wert.

Folgende Pfarrer waren bis heute in Niedernhausen aktiv:

 

 Georg Ludwig Noack – 1878-1894

 Richard Vogt            – 1895-1925

 Otto Flöring             – 1927-1939

 Theodor Knodtc       – 1940-1955

 Karl Baumann          – 1955-1973

 Jobst Bodensohn      – 1973-1979

 Holger Mingram        – 1979-1982

 Jobst Bodensohn      – 1982-1983

 Horst Seyberth         – 1983-1993

 Volker Truschel         – 1993-2003

 Pfarrer Weber           – 2003-2011

Pfarrer Baumann blieb bis zu seinem Tod in Niedernhause n wohnen, sein ehemaliges Anwesen findet sich heute noch in den Eckwiesen. Auch Pfarrer Vogt fand seine letzte Ruhe, wie im Übrigen auch Pfarrer Baumann, auf dem Friedhof in Niedernhausen.

Im Zusammenhang mit der Kirche in Niedernhausen muss an dieser Stelle auch auf die Familie Boßler verwiesen werden. Diese Familie war in Niedernhausen im Amt des Glöckners und des Küfers so prägend das man sie im Volksmund nur als “s´Glecknersch” kannte. Ludwig Boßler erwarb im Jahre 1892 das 1854 erbaute Haus direkt neben dem Pfarrhaus in Niedernhausen. Seine Familie übte zuvor schon seit 1826 das Glöckner-Amt in der Schlosskapelle von Lichtenberg aus. Neben seinem Amt übte er das Schuhmacherhandwerk aus, dies sollte auch seinem Sohn Jakob Boßler erhalten bleiben, auch er war Glöckner und Schuhmacher. Schließlich folgte auch noch sein Enkel  in den beiden genannten Tätigkeiten nach. Mit Ludwig Boßler endete auch diese Tradition in der Kirche in Niedernhausen.

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