„Die St. Jost Kapelle bei Niedernhausen.“

Im Fischbachtaler Wald der Gemarkung Niedernhausen findet man zwischen den Abteilungen Strieth und Hardt und der Gemarkungsgrenze zu Groß-Bieberau ein Flurstück mit dem Namen „Die Jostwiesen“.

Um hierhin zu gelangen führt der Weg von Niedernhausen durch die so genannten „Teichäcker“ unterhalb des Seeberges entlang. Die Namen lassen es schon erahnen hier gab es einmal einen See oder besser gesagt einen Teich. Mit etwas Fantasie kann man auch noch den Verlauf des Deiches erahnen. Wann dieser, vielleicht herrschaftliche, Teich angelegt und wieder aufgegeben wurde ist dem Verfasser leider nicht bekannt. Möglicherweise handelte es sich um den See der ab und an in alten Unterlagen als „Jostsee“ auftaucht.

Weiter führt der Weg vorbei an einem still gelegten Steinbruch, im Volksmund als „Kieskaut“ bekannt, und zwei rechter Hand liegenden Fischteichen in den Wald. Nun hält man sich immer geradeaus und an der nächsten Wegegabelung wählt man die linke Richtung bis man auf einen rechts abzweigenden Weg stößt.

Nun sind wir da! Ziel erreicht. Urig sieht es hier aus, ein wenig wirkt es düster und von der Zeit vergessen. Man steht nun in einer kleinen Senke zwischen den Erhebungen und erblickt vor sich eine kleine Schutzhütte für den müden Wanderer. Diese Schutzhütte ist nach dem ehemaligen Niedernhäuser Lehrer Oldendorff benannt, der Name wird uns noch begegnen.

Doch da ist noch etwas? Sieht aus wie ein Altar und dann noch ein Steinkreuz und etwas weiter eine Wiese – oder das was noch daran erinnert. Gab es hier etwa eine Kirche?

Stimmt. Es handelt sich tatsächlich um einen Altar und zwar den früheren Altar der Johannes der Täufer Kirche in Niedernhausen. Dieser wurde bei der Kirchenrenovierung 1989 durch einen neuen Altar ersetzt und dient nun hier kirchlichen Zwecken. Das Steinkreuz dient der Erinnerung an die einstmals hier befindliche Kapelle. Die ausgelegten Steine sollen den ehemaligen Standort aufzeigen.

Eine Kapelle ? Wo ? Wann ? Warum ?

Viele Fragen offenbart dieser Ort und bisher konnten sicherlich längst nicht alle geklärt werden. Nach allgemeiner Ansicht stand an jenem Ort einstmals eine Kapelle die dem heiligen St. Jost (auch bekannt als Sankt Jodokus) gewidmet war. Wo sie genau stand und ob die ausgelegten Steine tatsächlich die genaue Lage darstellen bleibt erst einmal, bis zu genaueren und modernen Untersuchungen, dahin gestellt.

Auch die genaue Erbauungszeit und das tatsächliche Aussehen der Kapelle liegen im Dunkel der Zeit. Möglicherweise steht sie in Zusammenhang mit der Entstehung des nahen Niedernhausen – oder früher „Hausen“, welches erstmalig 1256 urkundlich erwähnt wurde (wahrscheinlich aber wesentlich älter sein dürfte).

Die älteste bekannte Überlieferung der Existenz dieser ehemaligen Kapelle finden wir in einer Kellereirechnung von Lichtenberg aus dem Jahr 1436. Hierin werden 5 Schillinge erwähnt die von der St. Josteswiese anfallen. Ob die Kapelle aber zu diesem Zeitpunkt als Bauwerk bestanden hat oder bereits abgebrochen war geht hieraus nicht hervor.

Zumindest 1557 scheint sie nicht mehr nutzbar gewesen zu sein. Im Kompetenzbuch des Darmstädter Superintendenten Peter Voltzius heißt es da:

Item eine Kapelle zu St. Jost bei Lichtenberg im Wald, welche zu der Pfarrei Bieberau gehört, ist aber abgebrochen, sind 30 Malter Korn, 4 Gulden Wiesenzins vom Gefälle und Länderei in Hospital Hofheim geordnet, und was es weiter Gefälle gehabt, in meines gnädigen Fürsten Kellerei zu Lichtenberg kommen, und werden jährlich davon 6 Gulden 10 Albus dem Pfarrherrn zu Bieberau gereicht.

In dem Text ist von der abgebrochenen Kapelle die Rede – so gab es sie wohl zu dieser Zeit nicht mehr. Wohl aber gab es noch die hieraus resultierenden Abgaben, welche unter anderem an das Hospital in Hofheim (heutiges Philipps-Hospital) abzuführen waren. Außerdem gab es wohl in Niedernhausen oder Hausen eine Pfarrbehausung, denn am 19. Juni 1541 beurkundet Lubinus Gutmann, Hospitalmeister zu Hofheim, Landgraf Philipp der Großmütige lässt die Einkünfte des St. Josten-Altares zu Lichtenberg dem Hospital zukommen. Sowie eine „Behausung und Hofstatt zu Hausen in dem Hane under Lichtenberg, die vormals der Kaplan zu Lichtenberg inne hatte, die aber baufällig geworden, zum Besten des Spitals dem Keller zu Lichtenberg, Hans Schaller, verkauft hat“. Vielleicht war die Kapelle ja einfach nicht mehr benötigt worden und die Gottesdienste fanden in Groß-Bieberau in der Michaeliskirche oder in der Kapelle St. Peter im Schloss Lichtenberg statt.

Angeblich wurden die letzten Reste der Kapelle im Jahr 1818 abgebrochen, laut den Ausführungen von Justin Wagner („Die Wüstungen im Großherzogtum Hessen, 1862) fand man dabei sehr Große Knochen in Höhlungen welche aber, lt. Genannter Quelle, sofort zu Staub zerfielen. Genannt wird auch ein Torbogen welcher noch bestanden haben soll. Die Gesteine sollen dann in verschiedene Häuser in Niedernhausen verbaut worden sein unter anderem in den Hofreiten (Achtung Dialekt) „Daawe“ (der heutige Hof der Familie Pollack in Richtung Nonrod gelegen), „Martins“ (an der Hauptstraße gegenüber der Bushaltestelle Schnurrgasse gelegen) und der „Mühle“ (die Niedernhäuser Mühle befand sich von Groß-Bieberau kommend gleich über die denkmalgeschützte alte Fischbachbrücke links – ein Mühlstein erinnert noch hieran).

Aber warum hat man eine solche Kapelle überhaupt hier in den Wald gesetzt?

Zunächst wäre es hierzu natürlich erst einmal schön zu erfahren wer überhaupt dieser St. Jost gewesen ist, wenn man ihm schon zu Ehren eine Kapelle errichtet.

Jener Jodokus war nach der Überlieferung ein bretonischer Prinz (angeblich Sohn von König Juthael), um 620 in Gael in der Bretagne geboren, dessen älterer Bruder Judicaelus in ein Kloster eintrat woraufhin auch er, Jdodokus, uf die ihm zufallende Herrschaft verzichtete und flüchtete um nicht den Thron besteigen zu müssen. Das ganze geschah bereits um das Jahr 640. Man berichtete er war seine Krone zu Boden worauf an der Stelle eine Quelle entsprungen sei.

Jodokus wurde Priester in Diensten von Haymon, Herzog von Ponthieu. Danach lebte er acht Jahe lang als Einsiedler in Brahic,. Ab 652 war er 13 Jahre lang Priester in Runiac in der Picardie. 665 gründete er in Runiac eine Einsiedelei, die Keim- zelle der später nach ihm benannten Benediktinerabtei St. Josse sur Mer . In späteren Lebensjahren soll Jodok nach Rom gepilgert sein. Nach seiner

Heimkehr lebte er als Einsiedler und starb um 670 (zumeist wird das Jahr 669 genannt, aber auch 668 und 675). Nach seinem Tod war er „wie ein Engel anzusehen“ und blieb „40 Jahre in seinem Grab als ob er lebe!“.

Der Legenden nach, die man sich erzählte, wurde seine Zelle, in seiner Zeit als Priester, von einem Fluss umgeben und Fische und Vögel die er fütterte wurden Zahm. Dreimal erschien im Christus als Bettler, jedes Mal teilte er sein Brot bis nichts mehr übrig blieb, aber durch sein Fenster sah er Schiffe mit Nahrungsmitteln anlanden.

Schon um 800 n. Christus wird in anonymen Schriften von seinem Leben und Wirken berichtet. Die Verehrung des Heiligen Jodok gelangte über die Gebetsbruderschaften der Benediktiner schon sehr früh auch in den deutschsprachigen Raum. Trier ist hier zum Beispiel zu nennen mit seinem Beneditktinerkloster St. Maximin.

Angeblich sind die sterblichen Überreste des Jodok im frühen 9. Jahrhundert nach England gelangt, dort wurden sie viele Jahrzehnte später in der Abtei Hyde wieder aufgefunden und am 25. Juli 977 nach Saint-Josse-sur-Mer übertragen. Damit wurde diese Stätte zu einem bedeutenden Wallfahrtsort und einer bedeutenden Pilgerstätte.

Jodokus gilt als Patron der Pilger, Reisenden, Schiffer als Helfer gegen Fieber und Pest. Auch als Schutzpatron der Bäcker, Blinden und Kranken wird er genannt. Entlang der Pilgerstraßen wurden viele Kirchen, Kapellen und besonders Hospitäler auf den Namen des Hl. Jodok geweiht.

So – das sollte erst einmal reichen an dieser Stelle. Nun können wir uns vielleicht ein kleines Bild machen wer dieser Jost oder nun besser Jodokus gewesen ist.

Warum aber an dieser Stelle im Wald abseits von Hausen eine Kapelle in der Einsamkeit errichtet wurde scheint unklar. Wenn man den oben stehenden Ausführungen über St. Jost folgt könnte es sich zu Beginn um eine Einsiedelei handeln die dort errichtet worden ist. Vielleicht ist sie in Zusammenhang mit alten Verkehrswegen in der Nähe zu bringen. Wenn die Menschen durch die Einsamkeit der Wälder gezogen sind so hatten sie dann in der Nähe von Hausen und Lichtenberg eine spirituelle Einkehrmöglichkeit. So wurde auch in der Schule oft von einem Einsiedler gesprochen, welcher ehemals dort gelebt haben soll.

Vielleicht könnte man auch von einer kleinen „Wallfahrts-Kapelle“ sprechen deren eigentlicher Hintergrund über die Jahrhunderte in Vergessenheit geraten ist.

Denn weshalb man eine Kapelle so abseits vom Ort Niedernhausen angelegt haben sollte für übliche kirchliche Zwecke bleibt im Moment offen. Sicherlich hätte man diese Kapelle dann einfach in den Ort, wie allgemein üblich, verlegen können. Dies hätte den Fußweg durch Wald und Feld erspart. Niedernhausen lag zu jenen frühen Jahren wahrscheinlich mit seiner Handvoll Höfen im heutigen Unterdorf. (In etwa zwischen dem heutigen Standort der Kirche und der ehemaligen Mühle). Außerdem bestand schon lange eine eigene Kirche – in Groß-Bieberau.

Bei älteren Niederhäuser Bürgern kennt man die Geschichte von einem Einsiedler, welcher früher dort gelebt haben soll. So wurde es auch dem Verfasser in der Schule erzählt. Wann dies zeitlich einzuordnen ist kann hier nicht geklärt werden. Als kleine Nebeninformation: Direkt gegenüber dem Standort der ehemaligen Kapelle gab es viel später im 20. Jahrhundert einen kleinen Steinbruch.

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